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Stadtratswahlen Schaffhausen 2016, Katrin Bernath, Grünliberale
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Bus­hal­te­stel­len in Nischen

Stel­lung­nah­me des Stadt­rates zum Pos­tu­lat von Maria­no Fio­ret­ti «Schluss mit der Ver­le­gung von Bus­hal­te­stel­len aus Nischen auf die Fahr­bahn!», Sit­zung des Gros­sen Stadt­ra­tes vom 3. Sep­tem­ber 2019

 

Mit sei­nem Pos­tu­lat ver­langt Grosstadt­rat Maria­no Fio­ret­ti die Prü­fung, wie Bus­hal­te­stel­len in Nischen statt auf den Fahr­bah­nen erhal­ten bzw. erstellt wer­den kön­nen, damit der Ver­kehr mög­lichst unge­hin­dert flies­sen kann. Der Stadt­rat nimmt wie folgt Stellung:

Als ein­lei­ten­de Bemer­kung ist fest­zu­hal­ten, dass wohl nie­mand ger­ne hin­ter einem Bus war­tet – egal mit wel­chem Fahr­zeug man unter­wegs ist – und dass es kei­ne gene­rel­le Stra­te­gie gibt mit dem Ziel, Bus­hal­te­stel­len auf die Fahr­bahn zu verlegen.

Es liegt in der Ver­ant­wor­tung der Stadt Schaff­hau­sen, Stras­sen und ihre Neben­an­la­gen bezüg­lich Ver­kehrs­si­cher­heit und Nor­men­kon­for­mi­tät zu über­prü­fen. Im Zuge von Sanie­run­gen sind Män­gel zu behe­ben und allen­falls geo­me­tri­sche Anpas­sun­gen vor­zu­se­hen. Dabei sind alle Nut­zer­grup­pen und Ihre Bedürf­nis­se aus­ge­wo­gen zu berück­sich­ti­gen. Dass alle Betei­lig­ten und Nut­zer ihre Bedürf­nis­se und Wün­sche haben, ist uns bewusst und die zustän­di­gen Fach­stel­len sind im Pla­nungs­pro­zess von Beginn an dar­auf bedacht, den best­mög­li­chen Kom­pro­miss für alle Ver­kehrs­teil­neh­mer zu fin­den. Einer­seits wol­len Fahr­zeug­len­ker eine Ort­schaft oder ein Quar­tier zügig durch­que­ren und ande­rer­seits möch­ten Anrai­ner im sel­ben öffent­li­chen Raum siche­re Fuss- und Vel­over­bin­dun­gen und ins­be­son­de­re Schul­we­ge, wenig Lärm und einen hin­der­nis­frei­en Ein- und Aus­stieg in den Bus. Die Abwä­gung der Inter­es­sen der ver­schie­de­nen Ver­kehrs­teil­neh­men­den sowie der Anwoh­ne­rin­nen und Anwoh­ner ist bei der Pla­nung von Verkehrsinfrastruktur-Projekten zen­tral und die Erar­bei­tung von Lösun­gen, die allen Anfor­de­run­gen best­mög­lich ent­spricht, jeweils eine gros­se Herausforderung.

Grund­la­ge für alle Pla­nun­gen sind die gesetz­li­chen Vor­ga­ben, die immer ein­zu­hal­ten sind. So sind Bund, Kan­to­ne und Gemein­den als Ver­kehrs­in­fra­struk­tur­be­trei­ber u.a. ver­pflich­tet, öffent­lich zugäng­li­che Ein­rich­tun­gen gemäss Bun­des­ge­setz über die Besei­ti­gung von Benach­tei­li­gun­gen von Men­schen mit Behin­de­run­gen (Behin­der­ten­gleich­stel­lungs­ge­setz BehiG, 151.3) bis zum 31. Dezem­ber 2023 hin­der­nis­frei aus­zu­bau­en. Die Benach­tei­li­gung beim Zugang zu Bau­ten und Fahr­zeu­gen ist zu ver­hin­dern, ver­rin­gern oder besei­ti­gen. Eine sol­che Benach­tei­li­gung liegt gemäss Art. 2 Abs. 3 des Behin­der­ten­gleich­stel­lungs­ge­setz vor, wenn der Zugang für Behin­der­te aus bau­li­chen Grün­den nicht oder nur unter erschwe­ren­den Bedin­gun­gen mög­lich ist. Dem hin­der­nis­frei­en Aus­bau von Bus­hal­te­stel­len ist beson­de­re Beach­tung zu schen­ken. Hin­der­nis­freie Bus­hal­te­stel­len erleich­tern Men­schen mit Mobi­li­täts­ein­schrän­kun­gen aber auch Per­so­nen mit schwe­rem Gepäck oder mit Kin­der­wa­gen das Ein- und Aus­stei­gen in den Bus.

Der hin­der­nis­freie Aus­bau von Bus­hal­te­stel­len ist auf­wen­dig und zum Teil sehr kom­plex. Die dazu vom Ver­band der Strassen- und Ver­kehrs­fach­leu­te erar­bei­te­te Norm SN 640 075 regelt, wel­che Grund­sät­ze und Anfor­de­run­gen bei hin­der­nis­frei­en Ver­kehrs­an­la­gen ein­zu­hal­ten sind. Die Ver­bind­lich­keit der Vor­ga­ben wird in der Norm präzisiert:

  • Zwin­gen­de Anfor­de­run­gen sind in der Norm mit den Begrif­fen «muss/müssen», «ist/sind zu» oder ähn­li­chen Begrif­fen beschrieben.
  • Anfor­de­run­gen, wel­che «nach Mög­lich­keit» zu erfül­len sind, müs­sen erfüllt wer­den, wo immer dies mach­bar und ver­hält­nis­mäs­sig ist. Abwei­chun­gen müs­sen begrün­det wer­den können.
  • «Vor­zugs­wei­se» bezeich­net bei meh­re­ren mög­li­chen Mass­nah­men jene, deren Erfül­lung der Ziel­set­zung der Norm am bes­ten entspricht.

Grund­sätz­lich ist immer ein niveau­glei­cher Ein­stieg auf der gesam­ten Hal­te­stel­len­län­ge (Hal­te­kan­te) anzu­stre­ben. Dazu wird eine Hal­te­kan­ten­hö­he von 22 cm benö­tigt. Im Sied­lungs­raum sind die bau­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für eine hohe Hal­te­kan­te auf der gan­zen Län­ge nicht immer erfüllt, z.B. bei Gebäu­de­zu­fahr­ten, Kur­ven­ra­di­en und engen Platzverhältnissen.

Ist aus Grün­den der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit kein niveau­glei­cher Ein­stieg auf der gan­zen Län­ge mög­lich, muss immer die best­mög­li­che abwei­chen­de Lösung rea­li­siert werden:

  • Ver­schie­bung der Haltestelle
  • Teil­er­hö­hung („Kis­sen­lö­sung“) im Bereich der Manö­vrier­flä­che auf 22 cm
  • Hal­te­kan­te von mit einer Höhe von 16 cm für den Ein­stieg mit Rampe
  • Teil­er­hö­hung („Kis­sen­lö­sung“) im Bereich der Manö­vrier­flä­che auf 16 cm.
  • Bestehen­der Rand­ab­schluss 3 – 10 cm Höhe oder kei­ne Kante

Neben der Höhe und der Län­ge der Hal­te­kan­te sind auch die Tie­fe des War­te­raums sowie die Auf­find­bar­keit für Seh­be­hin­der­te zu berücksichtigen.

Bei der Sanie­rung von Bus­hal­te­stel­len in der Stadt Schaff­hau­sen wird die jewei­li­ge Situa­ti­on sepa­rat anhand eines Pla­nungs­pro­zes­ses beur­teilt, der sich auf die gesetz­li­chen Anfor­de­run­gen und Nor­men stützt.  Die bestehen­de Geo­me­trie der Hal­te­stel­le, die Funk­ti­on der Stras­se gemäss kom­mu­na­lem Stras­sen­richt­plan, die Ver­kehrs­be­las­tung bzw. Fre­quenz und die loka­len Rah­men­be­din­gun­gen  flies­sen bei der Fest­le­gung der Best­va­ri­an­te mit ein. Zudem wird beur­teilt, ob die tech­ni­sche Umset­zung ver­hält­nis­mäs­sig ist.

Die Ver­hält­nis­mäs­sig­keit ist jeweils im Ein­zel­fall zu beur­tei­len. Gemäss Art. 11 des BehiG ist bei der Beur­tei­lung der für Behin­der­te zu erwar­ten­de Nut­zen im Ver­hält­nis zum wirt­schaft­li­chen Auf­wand, zu Inter­es­sen des Umwelt­schut­zes sowie des Natur- und Hei­mat­schut­zes sowie zu Anlie­gen der Verkehrs- und Betriebs­si­cher­heit abzuwägen.

Mit Fahr­bahn­hal­te­stel­len soll der Ver­kehr nicht behin­dert wer­den. Bis zu einem durch­schnitt­li­chen Tages­ver­kehr (DTV) von cir­ca 8´000 – 10´000 Fahr­zeu­gen sind Fahr­bahn­hal­te­stel­len aus ver­kehr­li­cher Sicht i.d.R. unpro­ble­ma­tisch. Bei höhe­rem Ver­kehrs­auf­kom­men sind Bus­ni­schen zu prü­fen und vor­zu­se­hen, wenn tech­nisch mach­bar und ver­hält­nis­mäs­sig. Bei der Sanie­rung von bestehen­den Bus­buch­ten wird auch bei gerin­ger Ver­kehrs­be­las­tung unter Berück­sich­ti­gung der Ver­hält­nis­mäs­sig­keit geprüft, ob die Bus­bucht trotz den Vor­ga­ben zum hin­der­nis­frei­en Aus­bau bestehen blei­ben kann.

Zur Situa­ti­on an der «Buch­tha­ler­stras­se»

Wie bereits in der Ant­wort zur Klei­nen Anfra­ge zu die­sem The­ma erläu­tert, ist es bei der Hal­te­stel­le «Buch­tha­len Post» tech­nisch nicht mög­lich, eine funk­tio­nie­ren­de Hal­te­stel­le mit einer 22 cm hohen Hal­te­kan­te in der Bus­bucht zu rea­li­sie­ren. Da die­se in der Kur­ve liegt wird die Pro­ble­ma­tik noch ver­schärft und der Bus kann nicht nah genug an die Kan­te fah­ren. Zu berück­sich­ti­gen ist, dass auf der Linie 5 künf­tig ein Gelenk­bus zum Ein­satz kom­men soll, so dass auch eine Hal­te­kan­te von 16 cm ver­scho­ben wer­den müss­te. Der Bau der Hal­te­stel­le mit einer Ein­stiegs­hö­he von 22 cm und die damit ver­bun­de­ne Ver­schie­bung in die Fahr­bahn wer­den im Kon­text der Vor­ga­ben des Behin­der­ten­gleich­stel­lungs­ge­set­zes sowie der ört­li­chen Situa­ti­on (ins­be­son­de­re bezüg­lich Sicher­heit der Fussgänger-Überquerungen) als ver­hält­nis­mäs­sig beurteilt.

In Abwä­gung der ent­ge­gen­ste­hen­den Inter­es­sen hat der Stadt­rat den auto­no­men Zugang für Behin­der­te höher gewich­tet als eine unein­ge­schränk­te Ver­kehrs­füh­rung. Dies unter Berück­sich­ti­gung, dass das War­ten nur den Ver­kehr tal­wärts betrifft, der Bus tags­über nur alle 10 Minu­ten und abends alle 20 Minu­ten ver­kehrt und eine Ver­zö­ge­rung nur ent­steht, wenn der Bus bei der Hal­te­stel­le hal­ten muss. Die gewähl­te Vor­ge­hens­wei­se ent­spricht auch den Emp­feh­lun­gen des Leit­fa­dens «Bar­rie­re­freie Bus­hal­te­stel­len» vom Ver­band öffent­li­cher Verkehr.

Zur Situa­ti­on in «Herblin­gen»

Bei der Erstel­lung neu­er Bus­hal­te­stel­len wird die Mög­lich­keit von Bus­ni­schen jeweils geprüft. Im städ­ti­schen Kon­text ist es jedoch eine gros­se Her­aus­for­de­rung, die ent­spre­chen­den Flä­chen zu sichern, ohne pri­va­tes Eigen­tum zu stark zu bean­spru­chen. Bei der End­hal­te­stel­le konn­te die Stadt das not­wen­di­ge Land erwer­ben, da sie aus­ser­halb aber direkt anschlies­send an das heu­ti­ge Sied­lungs­ge­biet liegt. Die neu­en Bus­hal­te­stel­len «Im Höf­li» und «Unter­dorf» an der «Thayn­ger­stras­se» wur­den jedoch als Stras­sen­bahn­hal­te­stel­le kon­zi­piert, weil der Platz hier eben­so fehl­te wie an der «Neutal- und Stüd­li­a­cker­stras­se», wo zusätz­lich je eine Hal­te­stel­le Rich­tung Zen­trum not­wen­dig wird.

Fazit

Der Stadt­rat aner­kennt die unter­schied­li­chen Bedürf­nis­se der Ver­kehrs­teil­neh­men­den und ist bestrebt, die­se jeweils best­mög­lich zu berück­sich­ti­gen. Als Leit­li­nie die­nen die gesetz­li­chen Vor­ga­ben und Nor­men, die Situa­ti­on ist jedoch immer im Ein­zel­fall unter Berück­sich­ti­gung der jewei­li­gen ört­li­chen Gege­ben­hei­ten zu prü­fen. Des­halb wäre weder ein gene­rel­ler Ver­zicht auf Bus­ni­schen noch eine gene­rel­le Erhal­tung ziel­füh­rend und der Stadt­rat bean­tragt, das Pos­tu­lat abzulehnen.