Stellungnahme des Stadtrates zum Postulat von Urs Tanner «Massnahmen für eine klimaangepasste Stadt jetzt», Sitzung des Grossen Stadtrates vom 19. Februar 2019
1. Einleitung
Der aussergewöhnliche Sommer 2018 zeigte, dass die längeren Hitze- und Trockenperioden für die Menschen und die Natur problematisch sind. Zwar lässt die isolierte Betrachtung des aussergewöhnlichen Sommers 2018 noch keine Aussagen über die langfristige meteorologische Entwicklung zu. Auch zukünftig können kühlere und verregnete Sommer oder Schneefälle im Winter auftreten. Doch Wetter ist nicht mit Klima gleichzusetzen. Während sich das Wetter oft täglich oder sogar mehrmals am Tag ändern kann, bedeutet Klima die durchschnittlichen Verhältnisse von Wetter und Witterung über einen längeren Zeitraum von mehreren Jahrzehnten an einem Ort. Heute sprechen wir vom Klima und dessen Veränderungen sowie den damit verbundenen Herausforderungen.
2. Klimawandel und seine Folgen
Die Häufung der niederschlagsarmen und trockenen Sommer sowie schneearmen Winter während der letzten 20 Jahre lassen aufhorchen und belegen, dass sich das Klima gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter stark verändert hat. Die Schweiz ist davon besonders betroffen, wie die im November 2018 vorgestellten Klimaszenarien CH2018 zeigen, die den bisher genausten Blick in die Klimazukunft der Schweiz erlauben. Die von MeteoSchweiz, der ETH Zürich und der Universität Bern entwickelten Klimaszenarien basieren auf Beobachtungen bisheriger Trends und komplexen Klimamodellen.
Kurze Zusammenfassung zu den erwarteten Entwicklungen in der Schweiz
Wie wird das schweizerische Klima in 40 Jahren aussehen und welche Folgen sind zu erwarten?
Im Sommer dürfte es gemäss den neusten Klimamodellen im Jahresmittel etwa 4,5 °C wärmer sein als heute. Es werden vermehrt Hitzewellen auftreten.
Aufgrund der höheren atmosphärischen Temperaturen löst sich mehr Wasser in den Luftmassen. Als Folge davon werden die Niederschläge heftiger ausfallen, Erdrutsche und Überschwemmungen werden zunehmen, und die Anforderungen an den Bevölkerungsschutz steigen. Auch wird dies zu Problemen bei der Siedlungsentwässerung führen, einerseits ein Überlauf aus den Kanälen bei Starkregen und andererseits Störungen des Abwasserabflusses wegen geringeren Wassermengen. Zudem führen heisse Luftmassen zu einem Austrocknen der Böden.
Im Sommerhalbjahr werden die Temperaturen in den Innenstädten und als Folge davon auch der Stromverbrauch für die Kühlung deutlich ansteigen. Für die schweizerischen Städte erwarten die Klimaszenarien ein Klima, wie es heute Valencia in Spanien zeigt, mit Temperaturen bis 40 °C im Sommer. Unter diesem Hitze- und Trockenheitsstress leiden die Menschen und die Gesundheit insbesondere der älteren Generation leidet. Aber auch Fauna und Flora leiden, was sich schon heute beispielsweise bei Rheinwassertemperaturen über 25 °C durch ein Äschen- und Forellensterben zeigt. Solche Fischarten dürften unter den zukünftigen sommerlichen Bedingungen im Schaffhauser Rhein aussterben.
Schnee im Winter dürfte in unsern tiefen Lagen weitgehend verschwinden. Sogar in den Zentralalpen dürfte es Mitte des Jahrhunderts rund 30 Neuschneetage weniger geben. Die winterliche Null-Grad-Grenze lag im vorindustriellen Zeitalter auf 400 m Höhe über Meer, aktuell sind es rund 800 m und Mitte des 21. Jahrhunderts dürfte die Null-Gradgrenze auf etwa 1500 m ansteigen.
Folgen für die Stadt Schaffhausen
Die Stadt Schaffhausen ist wie sämtliche schweizerischen Städte vom Klimawandel stark betroffen. Aufgrund der Überbauungsdichte sowie der versiegelten Plätze und Strassen ist die Wärmespeicherung in einer Stadt höher als im Umland; deshalb wird auch von einer städtischen Wärmeinsel gesprochen.
Schon heute werden einzelne Orte und Innenräume im städtischen Bereich unerträglich heiss, und der Ruf nach Beschattung, Bewässerung bzw. Klimatisierung (und damit die Nachfrage nach Kühlenergie) steigt. Dies hat auch Folgen für das städtische Erscheinungsbild, wenn Beschattungen im öffentlichen Raum und an bzw. auf Gebäuden Rückkühler installiert würden.
Die erhöhte Wassernachfrage hat Konsequenzen auf das Grundwasser, weshalb auch Massnahmen zur Senkung des Wasserverbrauches vermehrt erwogen werden müssen. Der Hitzestress setzt insbesondere der ältere Generation sowie geschwächten Leuten zu. Hohe Wassertemperaturen in Tümpel, Bächen und dem Rhein gefährden die Wasserfauna. Auch die Stromproduktion in unserem Kraftwerk ist von negativen Auswirkungen betroffen: Der im Sommer deutlich geringere Abfluss kann durch die höheren Abflüsse im Winterhalbjahr bei weitem nicht kompensiert werden und die jährliche Stromproduktion wird sinken.
3. Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel
Der Klimawandel ist eines der zentralsten und drängendsten Themen unserer Zeit für die Umwelt und die Menschheit. So nennt auch der aktuelle “Global Risk Report” des Weltwirtschaftsforums WEF extreme Wetterereignisse sowie das Scheitern in Bezug auf die Bekämpfung des Klimawandels und die Anpassung an den Klimawandel als grösste globale Herausforderungen.
Damit die Auswirkungen des Klimawandels möglichst gering gehalten werden können, braucht es einerseits Massnahmen für einen wirkungsvollen Klimaschutz und anderseits Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Letztere sind das heutige Thema, deshalb gehe ich hier nicht weiter auf den Klimaschutz ein.
Die klimatischen Veränderungen in der Schweiz sind aus topographischen Gründen im Vergleich zum weltweiten Mittel überdurchschnittlich. Der Bundesrat hat 2012 in der Strategie „Anpassung an den Klimawandel“ dargelegt, was die zentralen Herausforderungen und Handlungsfelder sind. Im Aktionsplan 2014 - 2019 wird aufgezeigt, wie die Schweiz diese Herausforderungen bewältigen will. Die meisten Kantone – darunter auch der Kanton Schaffhausen – haben eigene Berichte zur Klimaanpassung erstellt.
Die Klimaadaptionsmassnahmen betreffen viele Bereiche, wie der kantonale Klimaadaptionsbericht 2011 aufzeigt. So ist die menschliche Gesundheit ebenso betroffen wie die Landwirtschaft, die Baumzusammensetzung im Wald, die Biodiversität und die Stabilität der Ökosysteme, die Stromproduktion durch Wasserkraft, der Tourismus, die Trinkwasserversorgung oder der Bevölkerungsschutz. Auch die Auswirkungen von globalen Bevölkerungswanderungen als Folge der Klimaänderung können die lokale Ebene betreffen.
Insgesamt dürften die Klimaanpassungsmassnahmen deutlich höhere Kosten verursachen als die Vermeidung der Treibhausgasemissionen, wie der Regierungsrat in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage 2014/8 betreffend Klimawandel festhielt. Die Anpassungsmassnahmen werden uns in den nächsten Jahrzehnten stark fordern, und die Schadens- und Anpassungskosten werden mit der fortschreitenden Klimaänderung erheblich ansteigen.
Klimaanpassung in Städten
Diese Grundlagen und Erfahrungen anderer Städte zeigen, dass die folgenden Handlungsfelder und Massnahmen für Städte besonders relevant sind:
- Grünflächen im Siedlungsraum: klimagerechte Gestaltung von Grünflächen, Entsiegelung, Reduktion der Verschotterung, Stadtbäume, Anpassung der Bewirtschaftung etc.
- Stadtentwicklung, Städtebau: Frischluftzirkulation, Begrünung von Dächern und Fassaden, klimaangepasste Gebäude etc.
- Energie- und Wasserversorgung: Kühlung, Wassersparmassnahmen
- Siedlungsentwässerung: Umgang mit Starkregen, Bewässerung von Grünflächen mit Regenwasser etc.
- Gesundheit: Aktive und passive Kühlung in Altersheimen, Schulhäusern etc., saisonale Anpassung von Arbeitszeitmodellen etc.
- Kommunikation: Information und Sensibilisierung der Bevölkerung z.B. zur Bedeutung von Grünflächen für das Stadtklima, zum Verhalten bei Hitzewellen etc.
Diese Zusammenstellung zeigt auf, dass Massnahmen zur Klimaanpassung in fast allen Bereichen der städtischen Verwaltung zu berücksichtigen sind.
Situation in der Stadt Schaffhausen
Die bisherigen städtischen Massnahmen beziehen sich vor allem auf den Klimaschutz gemäss dem 2014 vom Grossen Stadtrat verabschiedeten Klimaschutz- und Energiekonzept sowie auf die Umsetzung der Energiestadtziele. Massnahmen zur Reduktion der Hitzebelastung werden in einzelnen Projekten berücksichtigt. Eine Gesamtschau zur Klimaadaption bzw. zu stadtspezifischen Grundlagen und Massnahmen fehlt aber bisher. Bereits beschlossene und umzusetzende Massnahmen sind nicht in einer Gesamtstrategie zusammengefasst.
Als nächster Schritt soll deshalb, analog zu andern Städten, ein zum Klimaschutzkonzept ergänzendes Adaptionskonzept erstellt werden, welches die unterschiedlichen Standortfaktoren und Handlungsfelder berücksichtigt und auch den Umgang mit Zielkonflikten thematisiert (z.B. Trinkwasserschutz versus Bewässerung von Zierrasenflächen oder Ackerkulturen, solare Energiegewinnung versus Beschattung, Erholung versus Naturschutz). Ziel muss sein, dass Schaffhausen eine attraktive Wohn-, Arbeits- und Tourismusstadt bleibt, auch in einem geänderten heisseren Klima.
Von besonderer Bedeutung für das Stadtklima ist die Durchlüftung der Stadt, die auch bei der zukünftigen innerstädtischen Verdichtung weiterhin gewährleistet sein muss. Die zukünftige Gestaltung öffentlicher Räume soll vermehrt Klimaanpassungsmassnahmen wie beispielsweise die Beschattung von Freiräumen und Wegen einbeziehen. Wichtige Massnahmen für die Stadtbegrünung ergeben sich bereits aus dem Freiraumkonzept und den darin festgehaltenen Grundsätzen bezüglich Grünflächenmanagement und Naturschutz. Massnahmen für eine klimaangepasste Stadtentwicklung sind auch bei der Überarbeitung der Bauordnung und des Zonenplans zu berücksichtigen.
4. Fazit
Der Klimawandel ist eine der grössten Herausforderungen unseres Jahrhunderts. Wir kommen nicht umhin, zweigleisig zu fahren: Einerseits die deutliche Reduktion der Treibhausgas-Emissionen für einen wirkungsvollen Klimaschutz, anderseits die Realisierung von Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel, um eine attraktive und lebenswerte Stadt zu erhalten. Je früher Anpassungen umgesetzt werden, desto kostengünstiger die Massnahmen. Teilweise lieb gewonnene Verhaltensweisen sind zu hinterfragen, um die anstehenden Herausforderungen des Klimawandels konstruktiv angehen zu können.
Die Konsequenzen betreffen fast sämtliche Bereiche der öffentlichen Verwaltung. Angesichts der mit dem Klimawandel verbundenen Herausforderungen ist der Stadtrat bereit, das Postulat entgegenzunehmen und einen Bericht zu den Anpassungsmassnahmen zu erarbeiten.