Stellungnahme des Stadtrates zum Postulat Edgar Zehnder “Prozessanpassung Bauinvestition”, Sitzung des Grossen Stadtrates vom 21. August 2018
Meine Ausführungen im Namen des Stadtrates sind in die folgenden 5 Punkte gegliedert:
- Einleitende Ausführungen zur Verantwortung für die öffentliche Infrastruktur der Stadt Schaffhausen
- Ziele und bisherige Prozesse
- “St. Galler Modell”
- Zu einzelnen im Postulat genannten Aspekten
- Fazit
Da es ein wichtiges Thema ist, erlaube ich mir ausführliche Erläuterungen dazu.
1. Einleitende Ausführungen zur Verantwortung für die öffentliche Infrastruktur der Stadt Schaffhausen
Die Stadt Schaffhausen bewirtschaftet einen grossen Teil der öffentlichen Infrastrukturen und steht damit in einer grossen Verantwortung. Während die Infrastrukturanlagen in den vergangenen Jahrzehnten errichtet, stetig erweitert und ausgebaut wurden, ist ein verstärkter Fokus auf die Sanierung und Erneuerung der städtischen Infrastrukturbauten notwendig. Zudem verändern sich im Laufe der Zeit die Ansprüche an Schulhäuser, Alterszentren, Fussballplätze usw. Damit die Stadt auch zukünftig die Bedürfnisse der Bevölkerung und die vielfältigen Anforderungen an die öffentliche Infrastruktur erfüllen kann, braucht es laufende Erneuerungen und auch Erweiterungen.
Die finanziellen Mittel der öffentlichen Hand sind begrenzt; deshalb müssen wir die Gelder gezielt und wirkungsorientiert einsetzen. Voraussetzungen dafür sind die Kenntnisse über den Zustand der Infrastruktur und effiziente Prozesse. Diese werden laufend optimiert, dies auch angesichts der grossen Investitionen, die in der Stadt Schaffhausen in den nächsten Jahren im Hoch- und im Tiefbau anstehen.
Beim Unterhalt und der Erneuerung der Hochbauten, d.h. Schulhäuser, Alterszentren, Werkhöfe etc. besteht ein hoher Bedarf und der Aufwand dafür ist in den letzten Jahren gestiegen. Mehrere grössere Projekte sind in Planung, die eine Aufwertung der Infrastruktur zum Ziel haben, wie beispielsweise das Stadthausgeviert, die KSS, Kammgarn Westflügel und Hof mit Tiefgarage, das Magazin von Grün Schaffhausen und die Erweiterung des Busdepots Ebnat.
2. Ziele und bisherige Prozesse
In den Legislaturzielen 2017-2020 hat sich der Stadtrat mit dem Leitgedanken “Schaffhausen entwickelt sich” auseinandergesetzt. Für eine sinnvolle Entwicklung und einem achtsamen Umgang mit den ökonomischen, ökologischen wie auch den personellen Ressourcen der Stadt Schaffhausen müssen klare, verbindliche und effiziente Prozesse von der Projektdefinition bis zur Realisierung bestehen.
Die Stadt hat diese Prozesse in den letzten Jahren laufend optimiert, so konnte z.B. mit der Einführung des Qualitätsmanagements im Hochbau mehr Effizienz und Transparenz geschaffen werden. Mit der Einführung einer einheitlichen Projektmanagement-Methodik wurden die Prozesse für die strategische Steuerung und das Controlling verbessert. Weiterer Optimierungsbedarf besteht in der Initiierungsphase von Projekten, in der die Nutzerinnen und Nutzer den Bedarf formulieren sowie wichtige Grundlagen und Entscheide für die nachfolgenden Projektphasen festzulegen sind.
3. “St. Galler Modell”
Der Prozess für die Planung und die politischen Entscheide bei Bauprojekten wird in der Baufachkommission schon seit längerer Zeit diskutiert. Im August 2017 wurde der Kantonsbaumeister Werner Binotto aus dem Kanton St. Gallen eingeladen, das sogenannte “St. Galler Modell” vorzustellen und über seine Erfahrungen zu berichten.
2010 wurde im Kantonsrat von St. Gallen ein ähnliches Postulat eingereicht. In der Folge hat der Regierungsrat Ende 2013 ein Bericht zur “Neugestaltung des Immobilienmanagements” vorgelegt, der die Prozesse bei Hochbauten festlegt. Zwei zentrale Aspekte des vorgelegten Planungs- und Entscheidungsprozesses sind
- eine klare Definition des Prozesses von der Projektinitiierung des Nutzerdepartementes bis zur Projektierung und Realisierung durch das Baudepartement, sowie
- der zeit- und stufengerechter Einbezug von Regierung und Parlament in die Steuerung des Investitionsprozesses.
Der politische Prozess soll so gestaltet sein, dass zentrale Eckwerte wie Standort, Raumprogramm, Termine und Kosten bereits zu einem frühen Zeitpunkt beschlossen werden können. Das bedeutet, dass der Baukredit per Parlamentsbeschluss oder Volksentscheid genehmigt werden soll, bevor die eigentliche Projektierung startet.
Dieses Vorgehen im politischen Prozess wurde bisher bei drei Projekten im Kanton St. Gallen angewendet. Eine Voraussetzung dafür ist, dass die Kosten anhand von Machbarkeitsstudien und Kennzahlen hinreichend genau geschätzt werden können. Für die Erstellung und Bewirtschaftung einer entsprechenden Datenbank mit Kennzahlen hat der Kanton St. Gallen eine Stelle geschaffen.
Als Schlussfolgerung der Debatten in der Baufachkommission hat diese beschlossen, das heute diskutierte Postulat einzureichen, das eine Prüfung der Planungs- und Entscheidungsprozesse bei Bauinvestitionen fordert.
Der Stadtrat erachtet das Vorgehen nach dem St. Galler Modell als prüfenswert, da es verschiedene Vorteile mit sich bringt:
- Der Vorteil im politischen Prozess liegt darin, dass in einer frühen Projektphase Einfluss auf die grundlegenden Weichenstellungen genommen werden kann, wie beispielsweise auf das Raumprogramm, das der Planung zugrunde gelegt wird.
- Aus planerischer Sicht ist der Vorteil, dass die Unsicherheiten des politischen Prozesses reduziert wird. Nach der Kreditgenehmigung können alle weiteren Schritte vom Vorprojekt bis zur Ausführung ohne Unterbruch erfolgen.
Allerdings sind auch Nachteile zu berücksichtigen bzw. Gründe, warum das Modell nicht für alle Projekte geeignet ist:
- Bei einer Kreditbewilligung vor der eigentlichen Planung besteht eine grössere Unsicherheit bezüglich der Kosten, d.h. die Abweichungen zwischen dem bewilligten Kredit und den endgültigen Kosten sind grösser.
- Aus Sicht der Nutzer sind die Anforderungen an einen Bau in einer frühen Phase festzulegen, der Spielraum für Änderungen während der Projektierung wird eingeschränkt.
4. Zu einzelnen im Postulat genannten Aspekten
Im Postulat werden weitere Optimierungsmöglichkeiten angesprochen. Gerne lege ich hier dar, wie diese Vorgaben bereits heute berücksichtigt werden, in welchem Kontext diese zu beurteilen sind und welche Punkte aus Sicht des Stadtrates bei einer vertieften Prüfung zu berücksichtigen sind.
Erstellung Raumprogramme
Die erste im Postulat genannte Vorgabe betrifft die frühzeitige Erstellung von Raum- und Rahmenprogrammen. Wie bereits erläutert, hat der Stadtrat 2017 ein standardisiertes Projektmanagement eingeführt und Prozessabläufe einheitlich definiert. Diese Prozesse sind vor allem für Grossprojekte wichtig, die eine Zustimmung der Stimmbevölkerung benötigen. Das Erstellen des Raumprogramms in Abhängigkeit der Nutzerbedürfnisse durch das zuständige Referat ist im Prozessmanagement vorgegeben. Die Projektdefinition mit Raumprogramm wird durch den “Besteller” erstellt. So definiert beispielsweise der Bereich Bildung die Anforderungen an eine Schulhaus-Erweiterung aus pädagogischer und betrieblicher Perspektive. Die Umsetzung dieser Vorgaben ist ein laufender Prozess.
Frühzeitige Entscheide von Parlament und Volk, Erreichen einer hohen Planungs- und Ausführungssicherheit
Eine Optimierung der Entscheidungsprozesse bedeutet, dass die politischen Entscheide zu strategischen Fragen sowie die Grundsätze und Rahmenbedingungen für die operative Umsetzung frühzeitig festgelegt werden, d.h. der Einbezug der jeweiligen Entscheidungsträger muss zeit- und stufengerecht erfolgen.
Um dem Anliegen einer stärkeren und früheren Mitwirkung des Grossen Stadtrates nachzukommen, gibt es zwei Varianten.
- Die erste Variante legt einen stärkeren Fokus auf kostenrelevante Eckpunkte bei Planungskreditvorlagen. Dabei geht es insbesondere um die Festlegung der Anforderungen an ein Gebäude und daraus resultierend das Raumprogramm.
- Eine zweite Variante zielt darauf ab, eine Rahmenkreditvorlage ohne ausgearbeitetes Projekt, d.h. nach “St. Galler Modell”, den politischen Vertretern zum Beschluss vorzulegen. Dies setzt aber zwingend voraus, dass Kosten anhand von Kennzahlen hergeleitet werden können, die als Benchmark dienen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass einerseits die Planungs- und Investitionssicherheit erhöht wird, wenn Kredite frühzeitig im Planungsprozess durch Volk und Parlament genehmigt werden. Andererseits sind bei diesem Vorgehen jedoch Abstriche in Bezug auf die Sicherheit der Kostenplanung in Kauf zu nehmen. Je weiter ein Projekt in der Planung fortschreitet, desto höher ist die Kostengenauigkeit und somit auch die Korrelation des Kostenvoranschlages mit den effektiven Baukosten. Bei einer frühen Kreditgenehmigung sind grössere Kostenungenauigkeiten zu erwarten. Deshalb sind bei einer Umsetzung der Prozesse nach dem St. Galler Modell geeignete Instrumente zum Umgang mit der höheren Unsicherheit einzuführen. Ein Beispiel aus St. Gallen ist eine Reserve, die jeweils mit dem Investitionskredit genehmigt wird, aber nur eingesetzt werden kann, wenn der Regierungsrat die Reserve freigibt. Wichtig ist auch, dass Kostenkennzahlen zur Verfügung stehen und Kostenplaner frühzeitig in die Projektierung einbezogen werden.
Der Stadtrat ist der Ansicht, dass das Vorgehen nach dem St. Galler Modell bei einigen Projekten zielführend ist, jedoch nicht in allen Fällen. Zu berücksichtigen ist, dass die Stadt Schaffhausen im Vergleich zum Kanton St. Gallen ein geringeres Investitionsvolumen und auch weniger personelle Ressourcen hat. Zudem ist der Handlungsspielraum aufgrund tieferer Finanzkompetenzen geringer. Der Kanton St. Gallen hat sein Modell bis anhin nur bei einzelnen Projekten und ausschliesslich bei Hochbauprojekten angewendet.
Anpassungen bei städtischen Normen, Anwendung von Standardbauten und -ausrüstungen, funktionale Bauweise
Die letzten drei im Postulat genannten Punkte beziehen sich auf die Anforderungen an städtische Bauten und nicht auf die Ausgestaltung der Planungs- und Entscheidungsprozesse.
Der Stadtrat setzt sich dafür ein, die Infrastruktur nachhaltig zu bauen und zu betreiben. Das heisst, die Infrastruktur soll nach ökonomischen, ökologischen sowie betrieblichen Aspekten gemäss den Nutzeranforderungen optimiert werden. Nachhaltiges Bauen bedeutet auch, dass die verschiedenen öffentlichen Interessen jeweils gegeneinander abzuwägen sind. Dies umfasst neben der Funktionalität und den Kosten auch die Aspekte Sicherheit, Behindertengerechtigkeit, Ökologie, Baukultur usw.
Bezüglich Normen ist festzuhalten, dass die Vorgaben für Bauten vorwiegend durch übergeordnete Gesetze und Normen gegeben sind und der Handlungsspielraum der Stadt beschränkt ist.
Die Definitivon von Standards bei der Einrichtung von Bauten ist ein Anliegen, dass vom Hochbauamt zusammen mit den verschiedenen Nutzerinnen und Nutzern erarbeitet wird. Es wurden bereits für diverse Räume entsprechenden Standards erstellt, welche die Raumeigenschaften, die Funktion sowie die Infrastruktur der Räume definieren. Diese Stadardisierung ermöglicht einen stetigen Verbesserungsprozess, erhöht die Flexibilität der Räume und strategische Entscheide sowie verbindliche Normen können darin abgebildet werden. Ebenfalls vereinfachen die vorgegeben Standards die Planung sowie den Unterhalt und Betrieb der Immobilien.
Jedoch ist der Einsatz von Standardbauten im Kontext des städtischen Gebäudebestands nur beschränkt möglich und sinnvoll. Bei den meisten Projekten handelt es sich um Sanierungen, Erweiterungen und Aktualisierungen im Bestand. Erweiterungs- und Neubauten sollen mit Rücksichtig auf die bestehende Substanz und den städtebaulichen Kontext erstellt werden. Dies erfordert auf die jeweilige Situation angepasste Lösungen.
In der Vergangenheit wurden etliche Kindergärten in Systembauweisen erstellt. Es war aus submissionsrechtlichen Gründen nicht möglich, Aufträge weiterhin immer dem gleichen Systemhersteller zu vergeben. Grundsätzlich müssten auch Standardbauten wie z.B. Kindergärten dem Grundstück und dem Raumprogramm entsprechend entwickelt und im öffentlichen Submissionsrecht ausgeschrieben werden.
Eine funktionale Bauweise bedeutet, dass die Funktion eines Gebäudes und damit die Bedürfnisse der Nutzer/innen Ausgangspunkt für Planungen sind. Im Sinne einer nachhaltigen Bauweise unterstützt der Stadtrat das Anliegen, dass sich Investitionsentscheide an Kosten und Nutzen über die gesamte Lebensdauer orientieren sollen. Das heisst, die Betriebs- und Unterhaltskosten sollen als Entscheidungsgrundlage einbezogen werden. Die Ermittlung dieser Kosten setzt allerdings eine Projektierung voraus. Beim Vorgehen nach dem St. Galler Modell würden die entsprechenden Zahlen beim Kreditentscheid erst in einer groben Schätzung vorliegen.
5. Fazit
Der Stadtrat zeigt sich erfreut ob der Verbesserungen, die mit dem Qualitätsmanagement Hochbau und der Einführung einer einheitlichen Projektmanagementmethodik bereits erreicht werden konnten. Die Optimierung der internen Prozesse ist aber eine Daueraufgabe, die der Stadtrat und die Verwaltung auch ohne Überweisung des Postulats erfüllen werden. Weiteres Potenzial sieht der Stadtrat insbesondere im Anliegen des Postulats, den politischen Entscheidungsprozesses mit einer zeit- und stufengerechten Steuerung durch den Grossen Stadtrat und die Bevölkerung zielorientiert zu gestalten.
Somit ist der Stadtrat bereit, das Postulat entgegen zu nehmen und einen Bericht zur Optimierung der Prozesse bei Investitionsvorhaben zu erarbeiten. Der Entscheidungsprozess nach “St. Galler Modell” soll bei einem geeigneten Projekt als Pilot umgesetzt werden. Dies ist jederzeit möglich, da die verfassungsmässigen Kompetenzen für die Kreditbewilligung nicht verändert werden. Ein Evaluieren des Prozesses im Nachgang ist unerlässlich und die Auswertung der Erfahrungen wird im Bericht an den Grossen Stadtrat festgehalten werden.
Als Einschränkung gegenüber dem Postulat ist der Stadtrat der Ansicht, dass sich die Abklärungen auf den Hochbau fokussieren sollen. Auch im Kanton St. Gallen hat das genannte Modell nur bei Hochbauten seine Anwendung gefunden. Die grösseren Tiefbau-Projekte, die einer Kreditgenehmigung durch das Volk bedürfen, gehen über Standard-Sanierungen hinaus und sind jeweils stark von den jeweiligen Gegebenheiten abhängig. So können die Kosten anhand von Kennzahlen nicht hinreichend genau hergeleitet werden, eine Projektierung als Grundlage für den Kreditentscheid ist zwingend notwendig. Da es sich beim Postulat um einen Prüfauftrag handelt, ist der Stadtrat trotz der Vorbehalte in Bezug auf den Tiefbau und einige der im Postulatstext genannten Punkte offen, das Postulat entgegen zu nehmen.