Stellungnahme des Stadtrates zum Postulat von Stefan Marti «Velo-Postulat - mehr Lebensqualität und Klimaschutz - weniger Lärm, Abgase und Stau!» für die Sitzung des Grossen Stadtrates vom 12. November 2019.
Stefan Marti verlangt mit seinem Postulat eine Prüfung, wie der Veloverkehr in der Stadt Schaffhausen in den kommenden Jahren erhöht werden kann. Der Stadtrat nimmt wie folgt Stellung:
1. Ausgangslage
Den Städten, Agglomerationen und Metropolitanräumen kommt als Motoren der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung eine steigende Bedeutung zu. Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung haben eine zunehmende Mobilität mit entsprechender Überlastung der Verkehrssysteme und zusätzlichen Umweltbelastungen zur Folge. Effiziente und umweltfreundliche Verkehrssysteme in den Agglomerationen sind ein entscheidender Standortfaktor und tragen somit dazu bei, die Wirtschaftskraft der Agglomerationen zu erhalten und zu steigern. In diesem Kontext nimmt der Veloverkehr neben dem öffentlichen Verkehr, dem motorisierten Individualverkehr mit zunehmendem Anteil an Elektrofahrzeugen und dem Fussverkehr eine immer bedeutendere Rolle ein, auch in der Stadt Schaffhausen. Mit der Verbreitung des E-Bikes hat der Veloverkehr auch in Agglomerationen und Städten mit schwierigeren topographischen Verhältnissen wie in Schaffhausen ein bedeutendes Entwicklungspotenzial.
Das Grundanliegen des Postulats, den Anteil des Veloverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen in der Stadt Schaffhausen zu erhöhen, ist somit sehr berechtigt. Das Verkehrsmittel Velo ist im Vergleich zum Auto, dem Motorrad und dem strassengebundenen öffentlichen Verkehr effizient, umweltfreundlich, platzsparend und kostengünstig. Gerade auch vor dem Hintergrund der räumlichen Verdichtung gemäss städtischem Siedlungsrichtplan ist eine Steigerung des Veloverkehrs wichtig, sodass die Qualität der heutigen Verkehrsabwicklung in der Agglomeration Schaffhausen trotz Bevölkerungswachstum erhalten werden kann. Dazu benötigt es gezielte Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur.
2. Veloverkehr in Schaffhausen
Der Veloverkehr ist ein Puzzleteil des Gesamtverkehrssystems. Entsprechend sind die Zielsetzungen und Massnahmen im Kontext aller Verkehrsträger und der Siedlungsentwicklung festzulegen. Die im Gesamtverkehrskonzept aus dem Jahr 2008 festgelegte Strategie hält fest, dass das Gesamtverkehrssystem mithelfen soll, die Standortgunst von Schaffhausen als Wohn- und Arbeitsstadt trotz des prognostizierten Verkehrswachstums sicherzustellen und zu verbessern. Dazu bedarf es einerseits einer attraktiven Verkehrserschliessung, die eine gute Erreichbarkeit auch längerfristig sicherstellt. Andererseits sollen die negativen Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt minimiert werden.
Daraus lassen sich folgende Teilstrategien für den Verkehr ableiten:
- Verkehr vermeiden
- Verkehr verlagern
- Verkehr umwelt- und sozialverträglich abwickeln
- Verkehrssystem finanzierbar gestalten
Ohne die Ergebnisse der anstehenden Aktualisierung des Gesamtverkehrskonzepts vorweg zu nehmen lässt sich festhalten, dass diese Teilstrategien immer noch aktuell sind. Als genereller Grundsatz sollen die Verkehrsträger öffentlicher Verkehr, motorisierter Individualverkehr, Fuss- und Veloverkehr gleichberechtigt behandelt werden.
Zur Situation für den Veloverkehr hat der Stadtrat bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage «Velostadt Schaffhausen» im August 2018 Stellung genommen. Diese bezog sich auf die Ergebnisse der Umfrage zur Velofreundlichkeit der Städte, die von Pro Velo alle vier Jahre schweizweit durchgeführt wird. Die Stadt Schaffhausen hat bereits zum dritten Mal an der Umfrage teilgenommen. Über alle 34 Städte betrachtet stellen die Velofahrerinnen und Velofahrer nur gerade zehn Städten eine genügende Note aus. Die Durchschnittsnote aller Städte liegt mit 3.8 sowie die der mittleren Städte mit 3.7 im ungenügenden Bereich. Die Situation für den Veloverkehr wird also insgesamt sehr kritisch beurteilt. Schaffhausen erreichte bei den mittleren Städten zusammen mit vier weiteren die Note 3.7 und liegt somit im Durchschnitt der mittleren Städte.
Am besten beurteilt wurden in Schaffhausen die pauschale Aussage «Ich kann hier gut Velofahren» sowie die Kategorie Wegnetz (4.2). Am schlechtesten wurde der Komfort mit Note 3.2 bewertet, dies vor allem bei den Aspekten «Baustellen bequem befahrbar» und «Ampeln abgestimmt». Weiter wurde in Schaffhausen die Schnee- und Eisräumung bemängelt. Widersprüchlich sind die Aussagen bezüglich Sicherheit: Die einzelnen Aspekte in der Kategorie Sicherheit werden im Durchschnitt mit der Note 3.6 beurteilt. Gleichzeitig fühlen sich 91 % der Befragten sicher oder meist sicher, wenn sie mit dem Velo unterwegs sind.
3. Strategische Zielsetzungen
Wie einleitend erläutert, sind die strategischen Grundsätze für das Verkehrssystem in der Stadt Schaffhausen im Gesamtverkehrskonzept festgehalten. Im bestehenden Konzept aus dem Jahr 2008 wurden keine quantitativen Zielsetzungen festgelegt, wie das im Postulat gefordert wird.
Der Blick in andere Städte zeigt, dass Ziele zum Modalsplit entweder qualitativ («erhöhen») oder quantitativ («Anteil von x Prozent», «Erhöhung um x Prozent») formuliert werden. So hat beispielsweise die Stadt Bern beschlossen, dass das Velo bis 2030 einen Anteil von 20 Prozent am Gesamtverkehr erreichen soll. Seit mehreren Jahren liegt er bei rund 11 Prozent. Das vom Postulenten geforderte Ziel wäre somit in Bern bereits erreicht.
Die Schwierigkeit bei einem solchen Ziel ist allerdings, dass nicht immer die gleiche Grundlage verwendet wird. So bezieht sich die im Postulat genannte Zahl von 2 % aus dem Mikrozensus auf den Anteil der in Kilometern zurückgelegten Distanzen, die Zahlen in Bern aber auf den Anteil der Wegstrecken. Hinzu kommt, dass die Zahlen das Verkehrsverhalten nach dem Wohnortprinzip beschreiben, d.h. die Strecken werden von den in Schaffhausen wohnhaften Personen zurück gelegt, aber nicht nur innerhalb der Stadt Schaffhausen. Die Zahl misst somit nicht die auf Stadtgebiet zurückgelegten Kilometer, sondern die von der Stadtbevölkerung zurückgelegten Kilometer.
Ein weiterer Nachteil der Zahlen aus dem Mikrozensus Verkehr ist, dass diese nur alle 5 Jahre basierend auf einer Stichprobe ermittelt werden. Verlässlichere Zahlen liefern die Zählstellen, die an verschiedenen Orten in der Stadt fest installiert wurden oder temporär aufgestellt werden. Während die Messungen für den motorisierten Verkehr schon seit längerer Zeit erfolgen, wurden die Velo-Messstellen erst vor rund einem Jahr installiert. Anhand dieser Zählungen kann die Entwicklung des Veloverkehrs nun sehr gut verfolgt werden und es sind detaillierte Auswertungen nach Jahres- und Tageszeit möglich. Deshalb ist eine Zielsetzung, die anhand dieser Zahlen überprüft werden kann, sinnvoller.
Nach Ansicht des Stadtrates wäre eine Zielvorgabe zur Verdoppelung des Veloverkehrs innerhalb von zehn Jahren sinnvoller als die im Postulat genannte Erhöhung auf 10 %. Eine entsprechende Zielvorgabe kann bei der Aktualisierung des Gesamtverkehrskonzepts aufgenommen werden. Sie ist eine Herausforderung, aber im Vergleich mit anderen Städten realistisch.
Auch im Kontext des Gesamtverkehrssystems ist eine solche Zielsetzung angemessen: Die Verkehrsmodellierungen von Bund und Kanton zeigen, dass es in den nächsten Jahren zu einer Verkehrszunahme auf dem städtischen Netz kommt, die auch von Faktoren ausserhalb unserer Stadt beeinflusst ist. Damit das erwartete Verkehrswachstum in den begrenzten räumlichen Verhältnissen im Stadtgebiet aufgenommen werden kann, muss das Wachstum in erster Linie über die bezüglich Raumnutzung effizienteren Verkehrsmittel erfolgen, d.h. beim öffentlichen Verkehr und beim Aktivverkehr zu Fuss und mit dem Velo. Insbesondere sind wir darauf angewiesen, dass der innerstädtische Quell-/Zielverkehr möglichst über andere Verkehrsträger abgewickelt wird als über den MIV. Dies ist auch eine Voraussetzung dafür, dass der Verkehrsfluss für diejenigen gewährleistet ist, die auf Autos oder Lieferwagen angewiesen sind, wie beispielsweise das lokale Gewerbe.
Damit die Ziele erreicht werden können, sind entsprechende Massnahmen umzusetzen. Die Hauptstossrichtungen und prioritären Massnahmen werden im Gesamtverkehrskonzept festgehalten. Die Umsetzung einzelner Projekte bzw. die dazu notwendigen Kredite werden jeweils über das Budget oder über Vorlagen dem Grossen Stadtrat zum Entscheid vorgelegt.
4. Bauliche Massnahmen
Die Verbesserung des Verkehrssystems und insbesondere der Sicherheit im Verkehr ist eine Daueraufgabe. Einen Beitrag dazu leisten sowohl der Strassenunterhalt (z.B. mit Belagssanierungen, Erneuerung von Markierungen) als auch umfassendere Anpassungen der Verkehrsinfrastruktur.
So wird die Situation für den Veloverkehr laufend durch diverse kleinere Massnahmen verbessert, beispielsweise durch den Velostreifen und die vorgelagerte Veloaufstellspur an der Moserstrasse, die neue Veloampel bei der Adlerunterführung sowie rote Markierungen zur Erhöhung der Sicherheit. Zudem wurden Massnahmen zur Verbesserung der Veloparkierung rund um den Bahnhof geprüft und als erster Schritt die Abstellanlage beim Landhausparkplatz aufgewertet. Zur Sicherheit für den Fuss- und Veloverkehr tragen auch verschiedene Massnahmen zur Verkehrsberuhigung bei, die in vielen Quartieren umgesetzt wurden.
Damit der Veloverkehr auch für weniger geübte Fahrerinnen und Fahrer, insbesondere auch für Kinder, eine sichere Alternative darstellt, ist eine entsprechende Infrastruktur zentral. Von besonderer Wichtigkeit sind sichere Verbindungen zwischen den Quartieren und die Bereitstellung von Veloparkierungsmöglichkeiten an geeigneten Orten, v.a. um den Bahnhof.
Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in den Agglomerationen - unter Berücksichtigung aller Verkehrsträger - wird vom Bund mit dem Instrument «Agglomerationsprogramm» finanziell unterstützt. Die Agglomerationsprogramme unterstützen die Siedlungsentwicklung nach innen. Die Verbesserung der bestehenden Strasseninfrastruktur zugunsten des Veloverkehrs und der Bau von Neuanlagen zur Förderung des Langsamverkehrs werden aufgrund der positiven Raum- und Umweltwirkungen besonders gefördert.
Die Agglomeration Schaffhausen mit den Kerngemeinden Schaffhausen, Neuhausen am Rheinfall, Beringen und Thayngen hat an den Agglomerationsprogrammen der 1. und 2. Generation (AP1 und AP2) teilgenommen. Zentrale Projekte dieser Programme sind der Ausbau der Bahninfrastruktur (S-Bahn) und der Ausbau des Trolleybusnetzes bzw. neu die Elektrifizierung der Busflotte. Aber auch beim motorisierten Individualverkehr und beim Langsamverkehr wurden mehrere Massnahmen aufgenommen, die zur Verbesserung des Gesamtverkehrssystems beitragen sollen, dies im Sinne einer verbesserten Verkehrsabwicklung, einer Erhöhung der Verkehrssicherheit, einer Attraktivierung des öffentlichen Raums und einer Verbesserung der Umwelteinflüsse. Der Bund hat die Schaffhauser Agglomerationsprogramme als sehr ausgewogen und mit dem damals höchsten Beitragssatz von 40 Prozent gewürdigt.
Die S-Bahn konnte im Kanton Schaffhausen erfolgreich realisiert werden. Der Ausbau des Trolleybusnetzes wird mit der Elektrifizierung der Busflotte (E-Busse) hinfällig. Es ist aber erfreulich, dass der Bund diesen Strategiewechsel anerkannt hat und sich am Infrastrukturausbau für die Ladestationen im Rahmen des AP2 beteiligt. Bei der Umsetzung verschiedener Massnahmen bei der Strasseninfrastruktur ist die Stadt Schaffhausen allerdings im Verzug. Mit der Zusammenlegung der Tiefbauämter von Kanton und Stadt zu Tiefbau Schaffhausen wurden nun aber die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen, um die städtischen Agglomerationsprojekte im vorgegebenen Zeitrahmen bis 2027 zu realisieren. Vorbehalten bleiben selbstverständlich die Zustimmung der zuständigen politischen Instanzen - insbesondere bei der Freigabe der dazu benötigten finanziellen Mittel. Bei den Massnahmen, die in erster Linie auf den Veloverkehr ausgerichtet sind, werden der «Duraduct mit Lift» und die «Veloabstellanlage Bahnhof Süd» prioritär bearbeitet, wobei letztere von den Plänen der SBB abhängig ist.
Die Agglomeration Schaffhausen hat auf die Einreichung des AP3 verzichtet. Die Agglomerationsgemeinden hatten damals keinen Bedarf angemeldet und die Ressourcen sollten auf die Umsetzung der AP1 und AP2 konzentriert werden. Am AP4 wird Schaffhausen nun wieder teilnehmen. Die Vorbereitungsarbeiten sind unter Federführung von Tiefbau Schaffhausen am Laufen. Eine Kerngruppe mit Vertreterinnen und Vertretern der involvierten kantonalen Ämter, der Stadt Schaffhausen und regionaler Gemeinden begleitet die Programmentwicklung. Zur Festlegung der Infrastrukturmassnahmen werden regionale Arbeitsgruppen mit Gemeindevertretern gebildet. In der Stadt Schaffhausen wird eine gemischte Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern aller involvierten Bereichen und der Leitung des Baureferats eingesetzt.
5. Fazit
Mit dem Gesamtverkehrskonzept und den Agglomerationsprogrammen strebt der Stadtrat Verbesserungen des Verkehrssystems in der Stadt Schaffhausen unter Berücksichtigung aller Verkehrsträger an. Aus Sicht des Stadtrates ist es sinnvoll, bei der anstehenden Aktualisierung des Gesamtverkehrskonzeptes konkrete Zielsetzungen festzulegen. Diese sollen mit den regelmässig ermittelten Daten überprüfbar sein.
Entsprechend ist der Stadtrat offen, den Prüfungsauftrag entgegen zu nehmen, wenn das Ziel wie vorgeschlagen so formuliert wird, dass der Veloverkehr innerhalb von zehn Jahren verdoppelt werden soll. Mit dieser Umsetzung über das Gesamtverkehrskonzept, in dem die übergeordneten Zielsetzungen, Handlungsfelder und Hauptmassnahmen festgehalten werden, wird kein separater Bericht zum Postulat erstellt und das Postulat soll abgeschrieben werden, wenn das aktualisierte Gesamtverkehrskonzept mit den entsprechenden Zielen vorliegt. Die einzelnen Massnahmen werden dem Grossen Stadtrat als Kreditbegehren im Rahmen des ordentlichen Budgetprozesses oder in separaten Vorlagen vorgelegt.